Pilatus ist nicht nur der wichtigste Flugzeughersteller in der Schweiz, sondern ein international beachtetes Flugzeugwerk. Das 1939 gegründete Unternehmen stellt in Stans im Kanton Nidwalden Trainings- und Mehrzweckflugzeuge her. Die erfolgreiche Aktiengesellschaft hat ihre Kapazitäten schon 2017 mit einer 120 m langen Montagehalle, die Halle 25, erweitert. Kurz darauf folgte die zweite Halle mit einer Länge von 200 m. Darin hat ­Pilatus ein Kompetenzzentrum für Strukturbau mit Blick auf die neuen Flugzeugtypen PC-24 und den PC-21 etabliert. Teile wie Rümpfe, Flügel oder Leitwerke, die bisher an verschiedenen Standorten, auch im Ausland, hergestellt wurden, werden jetzt in dieser Halle gebaut und haben damit die bestehenden Kernkompetenzen von Pilatus als Entwickler und Hersteller von Flugzeugzellen gestärkt. Mit Inbetriebnahme dieses rund 45 Millionen Franken teuren Neubaus im Juni 2019 ließen sich dann auch die Produktionsengpässe im Stammwerk in Stans beseitigen.

Holz für alle Fälle – BauBuche für große Lastfälle

Ihr äußeres Erscheinungsbild ähnelt sich und ist der Form eines Flugzeugflügels nachempfunden. Doch auch ihr Inneres weist Gemeinsamkeiten auf: Das Tragwerk beider Hallen ist aus Holz. Denn als innovatives Unternehmen mit zertifiziertem Umweltmanagementsystem ISO 14001 sah sich Oscar J. Schwenk, Verwaltungsratspräsident der Pilatus Flugzeugwerke AG, geradezu verpflichtet, auch bei der zweiten Halle Holz zu verwenden. Fichten- und Tannenholz kam ebenso zum Einsatz wie Buchenholz bzw. zu hochtragfähiger BauBuche verarbeitetes Buchenholz. Beide Holzarten sollten zudem aus der Schweiz kommen. Auf BauBuche setzten die Planer vor allem deshalb, weil die etwa 10.000 m² große Produktionsfläche (52 m x 193 m) der 69 m breiten und 17 m hohen Halle stützenfrei bleiben sollte, mit dem Ziel, die gesamte Montagefläche mit einer Krananlage zu bedienen und so einen effizienten Materialfluss sicherzustellen. Entsprechend hohe Lasten hatte die hierfür entwickelte Dachkonstruktion aus Haupt- und Nebentragwerk aufzunehmen.

Sechs mit Stahlzugbändern unterspannte Brettschichtholz-Bogenbinder im Abstand von 34,50 m bilden dabei das Haupttragwerk. Die bis zu 90 Tonnen schweren Binder überbrücken die gesamte Breite der Produktionshalle. Ihre Enden ruhen auf den Köpfen der eingespannten Stahlbetonstützen in Außenwandebene sowie in den Auflagertaschen der Stahlbeton-Längswand, die den Produktionsbereich vom dahinter liegenden Bürotrakt trennt. Senkrecht dazu, also in Hallenlängsrichtung, spannen 4,50 m hohe Fachwerkträger aus BauBuche. In Ebene der Gebäude-Außenwand sind sie in 34 m lange Einzel-Fachwerke unterteilt, das heißt jeder Teil ist als Einfeldträger zwischen die eingespannten Stahlbetonstützen eingehängt. Im Hallenmittelfeld dagegen sind die Fachwerke als Durchlaufträger ausgebildet. Die 34 m langen, vorgefertigten Fachwerk-Teile hat man zwischen die unterspannten Bogenbinder gehängt. Ihre Vertikallasten nehmen zum einen die Stahlverbindungen auf und leiten sie in die Bogenbinder bzw. in deren Unterspannung ein, zum anderen in die Stützen an den Giebelseiten der Halle. Zug- und Druckkräfte der Gurte werden durch die Bogenbinder hindurchgeleitet. An den Hallenenden sind die Fachwerkträger oben in den Betonstützen über eine Lagerung eingespannt, so dass Wind- und Erdbebenlasten über die Rahmenwirkung ins Fundament abgeleitet werden können.

Durch die hohe Tragfähigkeit von BauBuche fielen die Fachwerke recht filigran aus: Die Gurte der mittleren Fachwerkträger haben Unter- und Obergurt-Querschnitte von 42 cm x 40 cm, die Fachwerke in Außenwandebene von 32 cm x 36 cm. Der Querschnitt der Streben variiert je nach Last zwischen 24 cm x 24 cm und 36 cm x 36 cm. Darüber sind Tertiär-Bogenbinder mit dazwischenliegenden Dachrippen in einem Abstand von 4,30 m auf die Fachwerke aufgelegt. Eine OSB-Platte steift die Konstruktion aus.

Herausforderung Schnee und veränderliche Lasten

Der für fünf Tonnen zugelassene Kran der Strukturbauhalle, kurz Halle S, hängt an insgesamt vier Kranbahnen. Die Doppel-T-Träger der beiden inneren Kranbahnen hängen dabei teilweise an den Stahlbauteilen der Primärträger-Unterspannung, teilweise an den durchlaufenden Fachwerkträgern. Dabei fungieren die Kreuzungen von Unterspannung und Sekundärträger als vierseitig verspannte Fixpunkte, während die Kranbahnen in den Fachwerken lediglich vertikal aufgehängt sind.

Verglichen mit den hohen Schneelasten stellten die Kranlasten bei der Konstruktion der Halle jedoch ein untergeordnetes Problem dar. Viel entscheidender war es, auf der großen Hallendachfläche die unterschiedlichen Verformungen durch veränderliche Lasten in den Griff zu bekommen. Deshalb sind die Kranbahnen an den Hallenflanken so an die Bogenträger angehängt, dass die Verbindung etwas Bewegung zulässt. Außerdem ist der Kran in seiner Mitte mit einem Gelenk ausgestattet, mit dem er kleine Veränderung in der Kranbahngeometrie ausgleichen kann.

Montage in Teilen

Die Strüby Konzept AG aus Seewen zeichnete als Gesamtleistungsanbieter (Totalunternehmerin) für die Realisierung der Halle S verantwortlich. In ihrem Auftrag fertigte die neue Holzbau AG n’H Lungern die bis zu 34 m langen Teile der BauBuche-Fachwerkträger mit einem Gewicht von bis zu 16 Tonnen. Die Montage wiederum erledigte das Strüby-Holzbauteam.

Die stützenfreien Überspannungen waren auch bautechnisch eine große Herausforderung, denn die Bogenbinder und Fachwerk-Träger konnten nicht als Ganzes im Werk vormontiert und zur Baustelle transportiert werden. Die Bogenbinder etwa wurden in je zwei Teilen angeliefert. Die Monteure haben sie vor Ort zusammengesetzt und als Ganzes mit dem Pneukran montiert.

Für den Bau der imposanten Halle wurden 2.920 m³ Fichten-/Tannen Holz, 270 m³ BauBuche, 27.000 m² Holzwerkstoffplatten und 135 Tonnen Stahlseile benötigt.

Grüne Fassade integriert die Halle in der Umgebung

Das Hallendach sowie ein Teil der Fas­sade erhielten eine Aluminiumbekleidung in edlem Grün. So passt sich das neue Kompetenzcenter harmonisch in die Umgebung ein. Im Innern verleiht ein weißer Kunstharzbodenbelag der Halle eine optische Leichtigkeit.

Seit Mitte 2019 nutzt die Pilatus Flugzeugwerke AG die Halle S für die Montage von Flügeln, Leitwerken und Rümpfen. Mit einer Länge von 200 m musste die Halle als stützenfreier Raum konstruiert werden, um den Betrieb der Krananlage zu ermöglichen. Erreicht wurde dies durch eine tragende Dachkonstruktion aus stahlverspannten Bogenträgern in Kombination mit abgehängten Fachwerkträgern aus BauBuche.

_{-Text by Susanne Jacob-Freitag-}