In Düsseldorf ist ein siebengeschossiges Bürogebäude nach dem cradle-to-cradle Prinzip errichtet worden. Bei dem Holzhybrid-Bauwerk mit Namen ‚The Cradle‘ spielt die BauBuche eine tragende Rolle der besonderen Art: Sie fungiert – außer in Form von Trägern und Stützen – vor allem als hochbelasteter Knotenverbinder für die geschosshohen V-förmigen Stützen der Gebäudehülle.
Holzhybridbau
Arrow Global Germany GmbH (vormals Interboden GmbH & Co. KG),
D-40878 Ratingen, www.arrow-deutschland.net
HPP Architekten GmbH, D-40221 Düsseldorf, www.hpp.com
Diete + Siepmann Ingenieurgesellschaft mbH, D-41564 Kaarst, www.diete-siepmann.de
DERIX-Gruppe, D-41372 Niederkrüchten + D-49492 Westerkappeln, www.derix.de, mit Design To Production, CH-8703 Erlenbach/Zürich,
SJB Kempter Fitze AG, CH-8733 Eschenbach, www.sjb.ch
knippershelbig GmbH, D-70178 Stuttgart, www.knippershelbig.com
Drees & Sommer SE, D-50674 Köln, www.dreso.com
Nees Ingenieure GmbH, D-48144 Münster, www.nees-ingenieure.de
bähr engineering GmbH, D-50668 Köln, www.baehr.koeln
Transsolar Energietechnik GmbH, D-70563 Stuttgart, www.transsolar.com
Rupert App GmbH & Co., D-88299 Leutkirch, www.app.de
EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, D-20457 Hamburg, www.epea.com
89 kWh/(m²a)
KfW-Effizienzhaus 55
Pollmeier Massivholz GmbH & Co. KG,
D-99831 Amt Creuzburg
Grundstücksfläche: 1.246 m²
Brutto-Rauminhalt (BRI): 30.700 m³
Netto-Grundfläche (NGF): 7.245 m²
Brutto-Grundfläche (BGF): 9.100 m²
Bürofläche: 6.583 m²
Der multifunktionale Bürobau „The Cradle“ gilt als eines der ersten Gebäude, das im Sinne der Kreislaufwirtschaft „Cradle to Cradle“ (von der Wiege zur Wiege) geplant wurde. Zielvorgabe war, die Bauteile so auszulegen, dass sie nach Nutzungsende bis zu 90 % rückbaubar und wiederverwertbar sind. Mit Abmessungen von 48 m Länge, 26 m Breite und 22 m Höhe steht es heute mit seiner ornamental anmutenden Fassade im Düsseldorfer Medienhafen. Auf einem Keller- und Erdgeschoss aus Stahlbeton folgen fünf Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss in vorelementierter Holzbauweise. Das markante Erscheinungsbild des Gebäudes basiert auf einer rautenförmigen Fassadenstruktur, die – hinter einer Verglasung geschützt – Entwurfsdesign und Tragwerksplanung verbindet und The Cradle zugleich als Holzbau sichtbar nach außen dokumentiert. Die Fachwerkträgern ähnlichen, vorgefertigten Fachwerk-Fassadenelemente fungieren hier als außenliegende, vertikal und horizontal lastabtragende Konstruktion. Dabei bestehen die rauten- bzw. V-förmigen Teile der Elemente aus Lärchen-Brettschichtholz, während die Fassadenrandträger, die die V-förmigen Teile horizontal einfassen, aus Fichten-Brettschichtholz. Die bis zu sechs Tonnen schweren Elemente warten mit einem Maximalmaß von 17,20 m Länge, 3,49 m Höhe und 1,09 m Tiefe auf.
Weltweit neu: klebstofffreie Steckverbindung mit Knagge aus BauBuche
Die Verbindung der einzelnen Fachwerk-Fassadenelemente untereinander erfolgt über eine eigens entwickelte, klebstofffreie Steckverbindung. In Kombination mit einer maximalen Vorfertigung und Vormontage der Holzbauelemente ermöglicht sie einen zukünftigen unkomplizierten Rückbau. Die Steckverbindung besteht aus einer unteren, geschweißten Stahlplatte, mit einer Knagge aus BauBuche obenauf, die der Aussteifung und dem Lastabtrag zwischen den Ständern dient und die Schub- und Parallelkräfte in das sich anfügende Bauteil weiterleitet. Dabei wurde die BauBuche-Knagge nicht, wie sonst üblich, mit der Platte verklebt und/oder verschraubt, sondern nur in vorbereitete Aussparungen der Stahlplatte gestellt. Dass BauBuche hier zum Zug kam, ergab sich aus deren geprüften Materialqualitäten von Tragfähigkeit und Festigkeit mit circa 15 Prozent Querlagen und einer hohen Verzugsstabilität. Diese Steckverbinder mit den BauBuche-Knaggen sind jeweils an den unteren und oberen Verbindungspunkten der Fachwerk-Fassadenelemente angeordnet.
Montage mit Hilfe einer Stahl-Hebe-Konstruktion
Die mittels CAD geplanten und von 5-Achs-CNC Maschinen millimetergenau gefrästen Fachwerk-Fassadenelemente wurden werkseitig von der DERIX-Gruppe bereits mit den Stahleinbauteilen und der Brandschutzbeplankung ausgestattet. Bei der Montage in Düsseldorf wurden die Fachwerk-Fassadenelemente dann über die klebstoff- und schraubenfreien Steckverbinder rein mechanisch zusammengesteckt und zur Fassadenstruktur aufgebaut. Das konstruktive Novum besteht darin, dass dieser Bauteilanschluss nur über das Eigengewicht der einzelnen Bauteile untereinander funktioniert, was dem Gedanken des einfachen Rückbaus und der daraus folgenden Wiederverwendung geschuldet ist. Denn miteinander verklebte und verschraubte Bauteile lassen sich nach Jahrzehnten der Nutzung nur schwerlich sauber voneinander separieren. Diese neue Art der Bauteil-Steckverbindung führte auch zu einer neuen Art der Montage, damit die Steckverbindungen beim Einbau nicht auseinanderfallen. Hieraus resultierte eine Stahl-Hebe-Konstruktion, bei der die Bauteile von unten angehoben und am Punkt der Montage abgelassen wurden. In Summe erhöhte sich mit jedem eingesetzten Fachwerk-Fassadenträger die Auflast und durch den Druck des Eigengewichtes der einzelnen Bauteile aufeinander die Stabilität der Gesamtkonstruktion.
Inneres Tragwerk ebenfalls aus BauBuche
Aufgrund der hohen Traglasten der fünf Obergeschosse basiert auch das innere Tragwerk aus dem hochfesten Hartholz. Das Gebäuderaster der Obergeschosse ergibt Spannweiten zwischen 6 m und 7,15 m. Quadratische, 3,50 m hohe BauBuche-Stützen (b = h = 40 cm) sowie bis zu 6,80 m lange BauBuche-Unterzüge (b x h = 40 cm x 56 cm), jeweils in der Festigkeitsklasse GL 75h, bilden das Holzskelett.
In der sich geschossweise wiederholenden Montageabfolge stellte man zuerst um die Erschließungskerne herum 14 Innenstützen aus BauBuche auf die Stahlbetondecke. Danach folgte ringsum die Errichtung der rautenförmigen Fassadenstruktur, was je Geschoss etwa eine Woche dauerte. Im Anschluss wurden 18 BauBuche-Unterzüge sowie drei Stahl-Unterzüge platziert. Letztere spannen zwischen den beiden Erschließungskernen und verbinden den Stahlbetonbau mit dem Holztragwerk. Hierauf wurden die massiven Holzdecken, bestehend aus werkseitig vorgefertigten Brettsperrholz-Elementen, verlegt und an der Fassadenstruktur mit Vollgewindeschrauben befestigt. Dieses Prozedere von rund vier Wochen Rohbau-Montage wiederholte sich bei jedem Obergeschoss, so dass die sechs Obergeschosse holzbaulich in rund sechs Monaten ‚hochgezogen‘ werden konnten.
Madaster Dokumentations-Plattform
Die Planung des Cradle basiert auf CAD-Modellen, die interdisziplinär entwickelt und mithilfe von Simulationen optimiert wurden. Daraus resultierte ein IFC-Modell (Industry Foundation Classes) als Grundlage für den integralen BIM-Prozess (Building Information Modelling), bei dem sämtliche Bauteile und Materialien in einen sogenannten ‚Building Material Passport‘ eingeflossen sind. Aus diesem ging eine optimierte und präzisierte Materialauswahl mit individuellen Bauteilnummern und zeitgleicher Dokumentation für den späteren Rückbau hervor. Die darin vorgenommene Klassifizierung der Bauteile erfolgte anhand definierter Kriterien wie z.B. Demontierbarkeit, CO₂-Bilanz sowie deren Recyclingfähigkeit. Später ist dieses IFC-Modell auf die Madaster-Plattform hochgeladen worden, um den Rohstoffrestwert und die Zirkularität der im Gebäude verbauten Materialien und Rohstoffe zu ermitteln. Diese Dokumentations-Plattform, deren Name nicht zufällig an ein Kataster erinnert, bildet den kompletten Lebenszyklus der Bauteile von der Herstellung über den Einbau und Nutzung bis zum Abriss ab. The Cradle ist als erstes Bauvorhaben im deutschsprachigen Raum auf diese Weise registriert worden.
Kreislaufprinzip und Rücknahmeverpflichtung
Ferner sind bestimmte Bauprodukte bei den Herstellern geleast worden, sodass diese nach der Nutzung zurückgegeben werden können. Passend dazu hat das ausführende Holzbauunternehmen, die DERIX-Gruppe, als erster Hersteller im deutschsprachigen Raum das Kreislaufprinzip in Form einer Rücknahmeverpflichtung für seine in den Bauverkehr gebrachten, genormten Holzbauprodukte aufgesetzt. Hierbei werden die Holzbauelemente nach Ablauf der Gebäudelebensdauer zurückgenommen und für neue Konstruktionen und Bauvorhaben bereitgestellt. Entscheidend dabei ist eine vollständig digitalisierte 3D-Dokumentation, die es den zukünftigen Nutzern erlaubt, ihre Suche nach geeigneten Bauteilen punktgenau durchzuführen. Ziel ist, diese Verfahrensweise in der gesamten Baubranche zu etablieren, wobei der Holzbau als Pionier den Weg einer kreislaufbasierten Bauwirtschaft ebnen soll. Um die Rücknahmequoten hoch zu halten, setzte man bereits im Planungsprozess auf trockene und einfache Verbindungen. Einen wesentlichen Anteil daran haben die klebstofffreien Hochleistungs-Steckverbinder aus BauBuche.
text by: Susanne Jacob-Freitag in Kooperation mit Marc Wilhelm Lennartz
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Fotos: Derix-Gruppe, Derix-Gruppe/Ralph Richter, Ansgar van Treeck
Zeichnungen: Derix-Gruppe
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