Rathaus-Neubau setzte auf BauBuche

Bingen, Deutschland

Bingen im baden-württembergischen Landkreis Sigmaringen ist ein beschaulicher Ort mit rund 2.700 Einwohnern. Mit dem neuen Rathaus in Holzbauweise zeigt sich, dass auch kleine Gemeinden mutig mit Vorbild-Projekten vorangehen können. Eine besondere Rolle spielten dabei die gebäudehohen BauBuche-Stützen des als Holzskelettbau konzipierten Tragwerks.

Beteiligte

Projekt informationen

Bauherrschaft: Gemeinde Bingen     Baukosten: 3 Mio. Euro (KG 300 + 400)   |   Bauzeit: Februar 2022 bis Oktober 2023   |   Architektur: Schaudt Architekten GmbH, D-78462 Konstanz, www.schaudt-architekten.de    Tragwerksplanung: Baustatik Relling GmbH, D-78244 Singen, www.baustatikrelling.de   |   Technische Gebäudeausrüstung: e.project, D-72505 Krauchenwies, www.eprojectff.de und Ingenieurbüro Büchele, D-72539 Pfronstetten, www.ib-buechele.de     Brandschutz-Planung: Geopro GmbH, D-78333 Stockach, www.geopro.de   |   Holzbau: Riester Holzbau GmbH, D-88637 Leibertingen, www.riester-holzbau.de     Keller / Rohbau: Karl Stocker Bauunternehmen GmbH, D-88630 Pfullendorf, www.stocker-bau.de   |  Produktion BauBuche-Bauteile: Pollmeier Massivholz GmbH & Co. KG, D-99831 Amt Creuzburg   |   Bruttogrundfläche: 1.150m2

Projektdetails:

Wie auch anderswo im ländlichen Raum, war in Bingen die Umbruchstimmung mit Wegzug und Leerstand deutlich spürbar geworden. Darauf reagierte die Gemeinde mit dem Schritt hin zu einer neuen Ortsmitte. Dabei ging es sowohl um die Bebauung einer ehemaligen Brauereifläche mit attraktivem, bezahlbarem Wohnraum, als auch um den nachhaltigen Rathausbau mit hohem Identifikationspotential.

Durch eine Mehrfachbeauftragung von Architektur- und Stadtplanungsbüros 2016 gelang es, ein einfaches, aber nachhaltiges städtebauliches Konzept zu finden. Die zweigeschossigen, trauf- und giebelständigen Häuser auf rechteckigem Grundriss und mit Satteldach orientieren sich dabei an der Typologie der historischen Ortsmitte. Wesentlicher städtebaulicher Baustein ist dabei das neue Rathaus, das als moderner Holzbau zugleich als Vorbild für weitere Baumaßnahmen dienen soll.

 

Offenheit und Freundlichkeit durch helles Holz und große Fenster

Dass es sich um einen Holzbau handelt, ist bereits von außen gut zu erkennen: Das Gebäude ist mit einer Holzverschalung aus Weißtanne bekleidet, die mit einer Lasur für den Anschein von „vorvergrauter Weißtanne“ gestrichen wurde. Insgesamt spiegelt das Gebäude Transparenz, Offenheit und Freundlichkeit wider. Das liegt zum einen an den relativ großen, teilweise bodentiefen Fensterflächen insbesondere im Erdgeschoss, zum anderen an den ebenfalls mit Weißtanne bekleideten hellen Innenwänden. Gerade im Inneren des Verwaltungsbaus legten die Architekten Wert auf eine warme, freundliche Atmosphäre. Und so ist auch die Haupttragstruktur aus BauBuche im Innenbereich ablesbar und schlägt eine Brücke zum dörflichen Charakter historischer Fachwerkhäuser.

 

BauBuche als Anreiz für innovative Laubholznutzung

Die Wahl des Baustoffes erfolgte unter anderem vor dem Hintergrund des Waldumbaus hin zu klimaresilienten Wäldern, der zukünftig mehr Laubholz, insbesondere Buchenholz, statt anfälligerer Fichtenwälder vorsieht. Entsprechend steht die „Innovative Laubholznutzung im Bauwesen“ im Fokus der BMEL-Förderung „Nachhaltige Erneuerbare Ressourcen“, was einen zusätzlichen Anreiz für die Wahl von BauBuche darstellte.

Für die Architekten ergab sich mit der Entscheidung für BauBuche aber auch die Möglichkeit, die Stützen- und Träger schlanker auszuführen. Denn die höheren Festigkeits- und Steifigkeitswerte des hochfesten Laubholzes erlauben es, die Querschnitte kleiner zu dimensionieren als es mit Nadelholz der Fall gewesen wäre. Daraus haben sich zudem entsprechende Materialeinsparungen ergeben. Dass BauBuche auch aus gestalterischen Gründen eine attraktive Wahl war, zeigt sich darin, dass die Architekten sich dafür entschieden haben, das Tragwerk sichtbar zu lassen.

 

Klar strukturiertes Holztragwerk vom Boden bis zum Dach

Der 13 m hohe Baukörper, der stark an die ortstypischen, oberschwäbischen Langhäuser erinnert, steht giebelständig an der Straße über einem rechteckigen Grundriss mit einer Länge von 28,40 m und einer Breite von 10,60 m. Das Tragwerk, eine Holzskelettkonstruktion aus BauBuche, setzt in Kombination mit den Holzrahmenbauwänden auf einem Kellergeschoss aus Stahlbeton auf, das als weiße Wanne ausgebildet ist. Das Holzskelett besteht aus gebäudehohen, also bis ins Dachgeschoss durchlaufenden, 8,20 m hohen BauBuche-Stützen (b/h = 28 cm x 14 cm), die in den langen Außenwänden im Achsabstand von 2,40 m platziert sind, sowie aus BauBuche-Trägern (b/h = 28 cm x 30 cm), die als deckengleiche Unterzüge fungieren.

 

Letztere wurden mit verdeckten Holzbauverbindern (Sherpa-L50-Steckverbindern) unsichtbar an den Außenstützen angeschlossen. So bilden die Brettsperrholz-Elemente, die als Einfeldträger über 4,70 m von deckengleichem Unterzug zu deckengleichem Unterzug spannen, unterzugsfreie Geschossdecken aus. Lediglich beim großen Mehrzweckraum im Erdgeschoss mussten 10 m Raumbreite überbrückt werden, wofür die Tragwerksplaner einen deckengleichen Stahlunterzug nutzten. Ansonsten stützen sich auch die Sparren aus Konstruktionsvollholz (KVH) des 45°-geneigten Satteldaches auf der Firstpfette und den beiden Fußpfetten aus BauBuche, ab. Dabei ruht die Firstpfette (b/h = 20 cm x 20 cm bzw. 20 cm x 36 cm) auf den Köpfen der BauBuche-Stützen, während die Fußpfetten (b/h = 28 cm x 20 cm) mit den Stützen verschraubt sind.

 

 

Selbst für die Treppenläufe – die ungewöhnlicherweise aus Holz, genauer gesagt aus Brettschichtholz, ausgeführt wurden – kam das strapazierfähige Hartholz zum Einsatz: Die Stufen erhielten einen Belag aus BauBuche-Paneelen. Und zu guter Letzt bewegt sich auch der Aufzug des Gebäudes in einer „Holzröhre“, das heißt in einem Schacht aus vorgefertigten Brettsperrholz-Wandelementen.

Der vertikale Lastabtrag erfolgt im Wesentlichen über das Holzskelett aus BauBuche-Unterzügen und Stützen. Für die Aussteifung sorgen die als Scheiben ausgeführten Geschossdecken sowie ausgewählte Wände in Holzrahmenbauweise. Da das Raumprogramm der Architekten im Dachgeschoss eine flexible und großzügige Raumnutzung vorsah, gibt es hier nur wenige Holzrahmenbauwände. Um die Horizontallast aus diesem Geschoss abzuleiten, haben die Tragwerksplaner in den langen Außenwänden vom Erdgeschoss bis unters Dach durchlaufende BauBuche-Stützen gewählt. Diese 8,20 m hohen BauBuche-Stützen sind auf Höhe der Geschossdecken im Erd- und Obergeschoss horizontal gehalten und leiten die Horizontallasten entsprechend in die Deckenscheiben – vor allem in die Decke des 1. OGs – und von da in die Holzrahmenbauwände ein.

 

Schnelle Montage durch vorgefertigte Holzelemente

Der hohe Vorfertigungsgrad aller Bauteile und -elemente ermöglichte eine zügige Montage des Holzbaus. Sie begann mit dem Aufstellen der vorgefertigten Holzrahmenbauwände auf der Kellerdecke. Dabei wurden die Wände sowohl miteinander als auch auf der Betondecke des Kellers verschraubt. Fast parallel dazu errichtete das Holzbauunternehmen die BauBuche-Skelettkonstruktion – zunächst in der Mittelachse, dann die markanten durchlaufenden BauBuche-Stützen in Ebene der Außenwände. Nach dem Stellen der Wände und Stützen folgte die Montage der BauBuche-Unterzüge, auf die im Anschluss die Brettsperrholz-Deckenelemente aufgelegt und zu schubsteifen Scheiben verbunden wurden. Das Stellen der 12 cm dicken und rund 3,50 m hohen Brettsperrholz-Wandelemente des Aufzugs sowie einer Wand des Treppenhauses, ebenfalls aus Brettsperrholz, erfolgte geschossweise. Im Dachgeschoss haben die Monteure schließlich noch die Mittelwände so wie die beiden Querwände aufgerichtet. Dann folgten die Sparren und die Eindeckung mit quadratischen, anthrazitgrauen, flachen Dachsteinen. Abschließend wurde das Gebäude verschalt.

 

Sorgfältig geplanter und ausgeführter Innenausbau

Die Weißtannenverschalung ist auch im Innenbereich zu finden, hier allerdings in ihrer natürlichen, hellen Färbung. Dabei wurde zwischen einer sehr feingliedrigen Struktur mit schmaler Lattung an den Decken und einer flächigeren Wirkung mit breiterer Beplankung an den Wänden unterschieden. Wie schmale Lichtschlitze sitzen die Deckenleuchten parallel zur Lattung in der Holzdecke, die übrigens auch in den Sanitärräumen zu finden ist. Treppenseitig sind die Holzrahmenbauwände allerdings aus Brandschutzgründen mit Gipsfaserplatten doppelt beplankt.

Wie sorgfältig in dem Projekt sowohl geplant als auch ausgeführt wurde, zeigt sich nicht zuletzt in den Detailentscheidungen: So wurden beispielsweise zwei BauBuche-Stützen der Außenwände jeweils raumseitig um 3 cm verjüngt, damit hier die Weißtanne-Beplankung durchlaufen kann.

 

Herausforderung BauBuche-Abbund?

Häufig scheuen Zimmereien davor zurück, den Abbund von BauBuche-Elementen selbst zu übernehmen, da der Verschleiß der Werkzeuge aufgrund der hohen Festigkeit des Holzes entsprechend höher ist. Die für das Rathaus beauftragte Firma Holzbau Riester hatte sich im Vorfeld BauBuche-Probestücke schicken lassen, um den zusätzlichen Aufwand prüfen zu können. Nachdem klar war, dass sich der Abbund mit einem gewissen Ersatz an Sägeblättern, Fräsen (vier Stück) und Bohrern (50 Stück) gut bewerkstelligen ließ, hatte die Zimmerei den Abbund selbst übernommen und mit den üblichen Zimmerei-Maschinen durchgeführt. Aufgrund des positiven Ergebnisses und der optimalen Abläufe auf der Baustelle, werde dies sicher nicht das letzte BauBuche-Projekt des Unternehmens gewesen sein, so das Fazit des Geschäftsführers von Holzbau Riester.

 

Text by: Susanne Jacob-Freitag

Fotos: Michael Setz, Schaudt Architekten, Riester Holzbau

Zeichnungen: Baustatik Relling

    Projektfotos

    Baustellenfotos

    Kontakt

    Kontakt

    Pfersdorfer Weg 6
    D-99831 Amt Creuzburg

    Beratung für Architekten, Bauingenieure, Bauherren und Holzbauunternehmen

    POLLMEIER IS A MEMBER OF GERMANY'S FEDERAL ASSOCIATION OF SAWMILLING AND WOOD INDUSTRIES​