21.02.2023
Author: ThüringenForst
Photos: ThüringenForst

Hans Carl von Carlowitz

Vor über 300 Jahren wurde in der Forstwirtschaft die Nachhaltigkeit als Wirtschaftsprinzip erfunden. Ein Berghauptmann und Forstkameralist hat damit still und leise die Welt verändert.
– Ein Gastbeitrag von Dr. Horst Sproßmann von ThüringenForst –

Keine 150 Kilometer von Erfurt entfernt in Freiberg im Erzgebirge, im frühen 18. Jhd. die größte Montanregion der Welt, wirkte Hans Carl von Carlowitz, kursächsischer Oberberghauptmann und in dieser kameralen Funktion auch für das kursächsische Forstwesen verantwortlich. Noch im Dreißigjährigen Krieg zur Welt gekommen, prägten die Zerstörungen dieses bis dahin längsten europäischen Krieges die Carlowitz´schen Erfahrungswelten.
Der weltoffene Adelsmann stand beruflich vor der Herausforderung, die Montanwirtschaft als wesentlichen Motor für die Prosperität des sächsischen Kurfürstenhofs wie auch des sächsischen Staates zu erhalten. Der damalige Bergbau ver­schlang allerdings Unmengen von Holz, das einerseits als Gruben-, aber auch als Brennholz Verwendung fand.
Auch die rapide ansteigende Bevölkerung und das Wachstum der Städte erforderten riesige Holzmengen. Über Jahrzehnte wurden die Wälder in der Region in Folge hemmungslos genutzt, so dass die Beschaffung von Holz zum Nadelöhr in der Rohstoffversorgung des wichtigen Bergbaus wurde. Carlowitz empfahl zur künftigen Sicherung der Rohholzversorgung der Montanregion, eine „continuierliche, beständige und nachhaltende Nutzung“ für die ausgebeuteten sächsischen Wälder und bettete dies, dem jahrzehntelangen Aufwachsen von Waldbe ständen geschuldet, in eine generationenübergreifende Betrachtung ein.
Dem Wald sollte zukünftig nur so viel Holz entnommen werden, wie wieder nachwachsen konnte. Damit ist nachfolgenden Gene rationen eine gleichbleibende Nutzung der Wälder möglich. Carlo witz verband das Erfahrungswissen früherer Förstergene ratio nen und eigene Kenntnisse mit diesem neuen Wirtschaftsprinzip in seinem mehr als 400-seitigen Werk „Sylvicultura Oeconomica“, das 1713 veröffentlicht wurde – die Geburtsstunde der Nachhaltigkeit.

Sächsische Nachhaltigkeit befruchtet Thüringer Forstwissenschaft

Die Gedanken des kursächsischen Oberberghauptmanns Hans Carl von Carlowitz befruchteten wenige Jahrzehnte später thüringische Forstleute. Heinrich Cotta etwa gründete 1795 die deutschlandweit erste Forstlehranstalt in Zillbach/Meiningen, später gründete er die heutige Forstliche Fakultät in Tharandt als Teil der Technischen Universität Dresden, Gottlob König eine Forstakademie in Eisenach.
Beide entwickelten aus dem Carlowitz´schen Nachhaltigkeitsprinzip eine akademisch fundierte Forstwissenschaft, Lehre und Ausbildung. Sachsen und Thüringen können zu Recht nicht nur als Wiege der Nachhaltigkeit, sondern auch der modernen Forstwissenschaft bezeichnet werden. Heute genießt das deutsche Forstwesen weltweite Anerkennung.
Hans Carl von Carlowitz hat die Initialzündung seines Wirkens nicht mehr miterleben dürfen. Er starb im März 1714, gerade ein Jahr nach Veröffentlichung seiner „Sylvicultura Oeconomica“, im Alter von 68 Jahren. Mit seinem Werk hat er es nicht nur in das heutige Thüringer Landeswaldgesetz und das Bundeswaldgesetz geschafft, selbst die Vereinten Nationen (UN) legten 2012 anlässlich der  UN-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio de Janeiro die Nachhaltigkeit als führendes Prinzip im globalen Umweltschutz fest. Der Inhalt der Begrifflichkeit „Nachhaltigkeit“ hatte sich im Laufe dieser Zeit von einer rein quantitativen zu einer nun auch qualitativen Größe fortentwickelt.

Nachhaltiges Wirtschaften ist dank Forstwissenschaft messbar

Aber wie findet der Nachhaltigkeitsgedanke seine konkrete Umsetzung bei der Bewirtschaftung der Thüringer Wälder? In der Regel werden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen alle zehn Jahre die Thüringer Wälder u. a. in ihrer Flächenausdehnung, ihrer standörtlichen Wuchskraft, ihrer Baumartenbestockung und, stichprobenhaft, ihrer Dimension erfasst (Forsteinrichtung). Entsprechende Computerprogramme, früher aus Vorrats- und Zuwachstabellen, leiten hieraus Holzvorratsmengen ab.
Aus dem Vergleich mit früheren Forsteinrichtungen erkennt der Forstmann, ob ein Waldbestand zu stark oder zu wenig genutzt wurde und leitet eine Holzernte ein, die den Waldbestand nicht gefährdet, sondern fördert. Gleichzeitig wird erkennbar, wo neuer Wald gepflanzt oder junger Wald gepflegt oder bestimmte Baumarten geschützt werden müssen. ThüringenForst nutzt durchschnittlich etwa 80 Prozent der nachhaltig möglichen Holzerntemengen. ThüringenForst erntet also weniger Holz als nachhaltig möglich wäre.
Dies bedeutet, dass auf die Zukunft nächster Generationen einbezahlt wird. Diese quantitativen, ökonomischen Nachhaltigkeitsgrößen hat ThüringenForst schon seit Längerem um qualitative Größen erweitert: Das Streben nach Dauerwald etwa unterstreicht diesen ganzheitlichen Verständnisansatz von Nachhaltigkeit im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen.
Neben dem Gesetzgeber wacht das Waldzertifizierungssystem PEFC streng über die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in Eigentum der ThüringenForst-AöR. Und nicht zuletzt zeigt die Mitgliedschaft im Nachhaltigkeitsabkommen NAThüringen, dass sich ThüringenForst dieser Verantwortung voll und ganz bewusst ist und auch praktisch in der Gemeinschaft lebt. (hs)

Photos: Daniela Tröger

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